Wenn wir von Kultur sprechen, beobachten, analysieren und diskutieren wir Gewohnheiten: Gewohnheiten der Tagesstrukturierung, der Arbeit, der Art und Weise, wie wir lernen und studieren, aber auch Gewohnheiten der Kommunikation, des Umgangs miteinander, Umgangsformen und Etikette, Formen der Höflichkeit... all diese Gewohnheiten sind in unseren täglichen Routinen verwurzelt, die wir im Laufe unseres Lebens aufgebaut und gepflegt haben. Zum Teil haben wir uns an die Routinen unserer Familie und Freunde, unserer Schule, Universität oder unseres Arbeitsplatzes gewöhnt, zum Teil haben wir unsere eigenen persönlichen Routinen entwickelt, um unseren persönlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Wir gehen durch den Tag, indem wir verschiedenen Routinen folgen, ohne uns dessen wirklich bewusst zu sein. Und das ist genau der Grund, warum wir sie haben. Routinen helfen uns, mit den überwältigenden Möglichkeiten des Handelns, Reagierens und Interagierens in jedem einzelnen Moment umzugehen. Sie geben uns ein Gefühl von Orientierung und Normalität. Sie geben uns eine Art Gewissheit, wie die Dinge ablaufen und wie wir ein Problem lösen können. Routinen sind Kultur.

Routinen beruhen auf Erwartungen und Erfahrungen. Wenn sich eine Vorgehensweise als erfolgreich erweist - d. h. unsere Erwartungen erfüllt, also zu dem führt, was wir erwartet haben -, werden wir in einer scheinbar ähnlichen Situation ähnlich handeln. Das Problem ist: Je routinierter ein Muster wird, desto weniger Alternativen werden wir wahrnehmen. Begegnen wir nun anderen Menschen, beurteilen wir die Situation möglicherweise anders als sie, stellen andere Erwartungen und folgen zum Beispiel anderen Interaktionsroutinen. Daraus erwachsen Irritation und Befremdung. Willkommen in einer interkulturellen Situation!

Wissen wir an dieser Stelle irgendetwas über die Herkunft der anderen Person? Nationalität? Religion? Ethnizität? Sexualität? Oder oder oder? Unter Umständen nicht. Wir wissen nur, dass wir in einer spezifischen Situation mit einem unerwarteten, befremdlichen Verhalten konfrontiert werden, das wir nicht erwartet haben. Und das macht das interkulturelle Moment aus.

Wie solche Situationen gelöst werden können, wie Irritation und Fremdheitserfahrungen in Normalitätsempfinden und Vertrautheit gewandelt werden können, wie eine gemeinsame neue Basis für Begegnung und Austausch gestaltet werden kann; das zeichnet interkulturelle Kompetenz aus und ist - glücklicherweise - erlernbar!